Als „Brücke zum 18. Jahrhundert“ betitelte der 2003 verstorbene amerikanische Kommunikationswissenschaftler Neil Postman sein letztes Buch (deutsch: „Die zweite Aufklärung“). Er erläuterte darin, inwiefern an Ideen aus jener Zeit wieder angeknüpft werden könnte. Multipolar erinnert daran. ACHIM WITTENBERG , 8. Mai 2024, 0 Kommentare , PDF Im Vorwort formuliert Postman eine kurze Definition des Zeitalters der Aufklärung: „Eine philosophische Bewegung des achtzehnten Jahrhunderts, die sich vom Standpunkt des Rationalismus aus vornehmlich mit der Kritik bislang gültiger Lehren und Institutionen beschäftigte.“ Er schildert zur Illustration eine Anekdote aus dem New York des Jahres 1735: Ein Zeitungsverleger wird vor Gericht der Verleumdung (des Königs/der Regierung?) beschuldigt, da er kritisch auf Missstände hingewiesen hatte. Da die Missstände – auch den Geschworenen – offenkundig sind, wird er freigesprochen – anders als dies in früheren Zeiten der Fall gewesen wäre, wo auch berechtigte Kritik an der Obrigkeit geahndet wurde. Erfindungen und Fortschrittsglauben Die Aufklärung sieht Postman als Zeit, in der der Fortschrittsglauben als Geschichts- und Naturgesetz erfunden wurde. Postman sieht diesen Glauben durch das 20. Jahrhundert allerdings beendet: Vernünftige Menschen würden erkennen, dass Fortschritt oder Niedergang von den Handlungen der Menschen abhingen. Dennoch würden viele weiter von einem ständigen Fortschritt ausgehen, der allein dadurch begründet sei, dass es technische Innovationen gebe. Diese Menschen glaubten, dass technischer Fortschritt automatisch auch Fortschritt für die Menschheit bedeute. Postman vermutet dahinter die Angst, anzuerkennen, dass die Menschen selbst für das Schicksal Verantwortung tragen – und es eben auch verschlechtern können. Das 19. Jahrhundert sei vom Fortschrittsglauben geprägt gewesen. Geologie und Biologie schienen dies mit der Evolutionslehre zu bestätigen: Karl Marx bat Charles Darwin um ein Vorwort zu „Das Kapital“ – erfolglos. Das 19. Jahrhundert brachte die Erfindung der Erfindung. Die Menschen lernten damals, wie man Dinge erfindet – die Frage nach dem Warum verlor an Bedeutung. Der Gedanke, dass man etwas tun solle, wenn man es tun könnte, sei im 19. Jahrhundert geboren worden. Das 20. Jahrhundert bringe aber schon zu Beginn das Ende des allgemein anerkannten Fortschrittsglaubens (Lewis Mumford 1923, William Ralph Inge 1920). Postman vermutet das Blutbad des 1. Weltkrieges, die Gedanken von Nietzsche und Freud oder die Vorahnung von Kommunismus und Faschismus als Ursache. Es sei unübersehbar geworden, dass Fortschritt nicht naturgesetzlich unausweichlic